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Landesaufnahme­programm Afgha­ni­stan darf nicht schei­tern!

Unter dem Ein­druck der schreck­li­chen Bil­der vom Flug­ha­fen Kabul haben sich im Sep­tem­ber 2021 zahl­rei­che Ver­tre­te­rIn­nen der Bre­mer Zivil­ge­sell­schaft unter dem Dach von Flucht­raum Bremen e.V. zusam­men­ge­fun­den und die Initia­ti­ve Soli­dar­fonds Bremen gegrün­det. Gemein­sam haben wir über­legt, was wir tun kön­nen, um gefähr­de­te Afgha­nIn­nen nach Bremen zu holen. Sehr schnell war klar: Wir wol­len hier leben­de Afgha­nIn­nen soli­da­risch dabei unter­stüt­zen, Ange­hö­ri­ge mit­tels Ver­pflich­tungs­er­klä­rung nach­zu­ho­len – denn genau das sah ein vom Bremen beschlos­se­nes Lan­des­auf­nah­me­pro­gramm vor.

Ver­pflich­tungs­ge­ber unter­schrei­ben, dass sie  5 Jah­re lang für den Lebens­un­ter­halt einer Per­son auf­kom­men, so dass die­se nicht auf Sozi­al­leis­tun­gen ange­wie­sen ist. Dafür müs­sen sie nach­wei­sen, min­des­tens 900 Euro im Monat „übrig“ zu haben – was natür­lich die wenigs­ten hier leben­den Afgha­nIn­nen haben. Genau hier woll­ten wir nach dem Vor­bild einer Initia­ti­ve, die Ähn­li­ches in Ber­lin im Rah­men eines Auf­nah­me­pro­gramms für Syri­en macht, anset­zen. Wir woll­ten Bre­me­rIn­nen fin­den, die bereit wären eine Art „Anteils­schei­ne“ an Ver­pflich­tungs­er­klä­run­gen zu unter­schrei­ben – also: ich bin bereit, über 5 Jah­re hin­weg mit einem monat­li­chen Betrag von X Euro den Ver­pflich­tungs­ge­ber XY soli­da­risch zu unter­stüt­zen. Es soll­te ein Fonds auf­ge­baut wer­den, auf den die Ver­pflich­tungs­ge­be­rIn­nen bei Bedarf zugrei­fen konn­ten. Die Reso­nanz war auf Anhieb groß, doch wir konn­ten nicht an den Start gehen, da das Lan­des­auf­nah­me­pro­gramm noch vom Bun­des­in­nen­mi­nis­te­ri­um geneh­migt wer­den muss­te. Im April leg­te Ber­lin die Sache vor dem Hin­ter­grund der Ukrai­ne-Kri­se erst ein­mal auf Eis. Fast hat­ten wir die Hoff­nung auf­ge­ge­ben, als letz­te Woche die Nach­richt durch­drang: Thü­rin­gen hat sein Lan­des­auf­nah­me­pro­gramm geneh­migt bekom­men und Bremen steht kurz davor. Wir alle atme­ten auf, beson­ders aber die Afgha­nIn­nen, für deren Ange­hö­ri­ge das Leben unter den Tali­ban von Tag zu Tag uner­träg­li­cher wird. Vie­le von ihnen hal­ten sich seit Mona­ten ver­steckt und sind wirt­schaft­lich und nerv­lich am Ende. Nach anfäng­li­cher Zurück­hal­tung wer­den inzwi­schen über­all im Land Raz­zi­en durch­ge­führt und Häu­ser nach „ver­rä­te­ri­schem Mate­ri­al“ durch­sucht: Fotos oder Unter­la­gen, die einen Bezug zu west­li­chen Orga­ni­sa­tio­nen erken­nen las­sen, aber auch Musik­in­stru­men­te, Sport­be­klei­dung, Bücher. Men­schen wer­den ver­haf­tet, ver­hört, aus­ge­peitscht, ein­ge­sperrt. Nicht weni­ge keh­ren nie zurück. Die Aus­sicht auf ein bal­di­ges Lan­des­auf­nah­me­pro­gramm leuch­te­te für sie wie ein Licht am Ende des Tun­nels auf. Doch lei­der droht es schon wie­der zu erlö­schen, denn im Bre­mer Senat scheint es inzwi­schen Kräf­te zu geben, die sich gegen das Auf­nah­me­pro­gramm sper­ren. Über die Grün­de darf spe­ku­liert wer­den. Angeb­lich will der Senat am 28.11.2022 abschlie­ßend ent­schei­den. Bevor es zu spät ist, möch­ten wir Poli­ti­ke­rIn­nen und Bür­ge­rIn­nen auf­rüt­teln und schrei­en: Don’t for­get Afgha­ni­stan! Lan­des­auf­nah­me­pro­gramm für Afgha­ni­stan jetzt! Was vor einem Jahr galt, darf jetzt nicht ein­fach unter den Tep­pich gekehrt wer­den. Die Situa­ti­on in Afgha­ni­stan ist seit dem 15. August 2021 nicht bes­ser, son­dern um ein Viel­fa­ches schlech­ter gewor­den – huma­ni­tär, wirt­schaft­lich, men­schen­recht­lich. Das Lan­des­auf­nah­me­pro­gramm stellt für die Stadt so gut wie kei­ne finan­zi­el­le Belas­tung dar, da die Flücht­lin­ge bei ihren Ver­wand­ten unter­kom­men bzw. von die­sen ver­sorgt wer­den. Und es bie­tet Bür­ge­rin­nen und Bür­gern die Mög­lich­keit, sich soli­da­risch zei­gen zu kön­nen, anstatt taten­los dem Elend zuschau­en zu müs­sen – für vie­le ein Gewinn!

Clau­dia Schmitt
(Vor­sit­zen­de Flucht­raum Bremen e.V.)

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