Mach die Augen auf und… don’t forget Afghanistan!
Landesaufnahmeprogramm jetzt!
Die Bilder aus der Ukraine führen uns tagesaktuell vor Augen, was Krieg anrichtet: die Verzweiflung der Menschen, die unvorstellbare Not der Kinder, die Zerstörung, die Gräuel. In Afghanistan herrscht seit über 40 Jahren Krieg! In dieser Zeit wurde die halbe Bevölkerung vertrieben, ein Drittel floh ins Ausland, und mehr als eine Million Menschen wurde bei Kämpfen getötet.
Wir – ein Verbund aus VertreterInnen der Bremer Zivilgesellschaft – haben uns im Herbst nach der Machtübernahme der Taliban zusammengetan, um zu überlegen, was wir tun können, um gefährdete AfghanInnen nach Bremen zu holen. Sehr schnell war klar: Wir wollen hier lebende AfghanInnen solidarisch dabei unterstützen, Angehörige mittels Verpflichtungserklärung nachzuholen, wie es ein von Bremen verabschiedetes Landesaufnahmeprogramm vorsah. Da die hier lebenden Familienmitglieder nur selten über die finanziellen Mittel verfügen, die der Staat als Sicherheit fordert, beschlossen wir, Spenden für einen Fonds zu sammeln, auf den die Verpflichtungsgeber bei Bedarf zugreifen können. So wurde die Idee für den Verein Solidarfonds Bremen e.V. geboren, der kurz vor seiner Gründung steht.
Und jetzt das!
Am 9. April 2022 teilt das BMI auf Anfrage der Linken mit, dass vor dem Hintergrund der Ukraine-Krise vorerst weder das im Koalitionsvertrag versprochene Bundesaufnahmeprogramm, noch die Landesaufnahmeprogrammen von Bremen, Berlin und Thüringen genehmigt werden.
Dabei hat UN-Hochkommissar Filippo Grandi schon Mitte März gemahnt: „Auch in Afghanistan leiden Menschen!“
Die humanitäre, wirtschaftliche und menschen- /frauenrechtliche Situation in Afghanistan ist unvorstellbar! Mehr als die Hälfte der Menschen leidet unter „akutem Hunger“, 95 Prozent haben nicht genug zu essen. Die Krankenhäuser sind voll von halb verhungerten Kindern. Binnenflüchtige, die alles verloren haben, vegetieren in Erdlöchern bei Regenwasser und Brot. Eltern verkaufen ihre Nieren und selbst ihre Kinder fürs Überleben der Familien.
Und was tut der Westen?
Kratzt 2,4 der 4,4 Milliarden Dollar zusammen, die von der UN als Soforthilfe für Afghanistan gefordert werden. Okay, Deutschland gibt 200 Millionen Euro on top – aber was ist das im Vergleich zu 100 Milliarden neuer Rüstungsausgaben???
„Eingefrorene Gelder für die afghanische Wirtschaft müssen freigegeben und das Finanzsystem stabilisiert werden!“ fordern Save the Children, Vereinte Nationen und viele andere Hilfsorganisationen. Mitte Februar entscheidet Joe Biden per Dekret, dass lediglich die Hälfte der beschlagnahmten afghanischen Staatsfinanzen an Hilfsorganisationen gehen, die in Afghanistan tätig sind; mit der anderen Hälfte sollen Familien der 9/11 Opfer entschädigt werden. Man kann es „Diebstahl“ nennen, wie der Spiegel-Autor Emran Feroz. Oder auch „Sippenhaft“, weil ein ganzes Volk dafür bestraft wird, dass seine damaligen Machthaber, die Taliban, dem Terrornetzwerk Al-Qaida Unterschlupf gewährten.
Und inmitten dieser humanitären Katastrophe nutzen die Taliban „die Aufmerksamkeit der Welt für die Ukraine, um die Unterdrückung und Verfolgung in Afghanistan immer weiter auszuweiten“, schreibt PRO ASYL.
Menschen, die für westliche Organisationen gearbeitet haben, werden daran gehindert, das Land zu verlassen, Frauen dürfen, außer aus religiösen Gründen, nicht mehr reisen, Mädchen ab der 7. Klasse nicht mehr zur Schule gehen.
Bei alledem wissen die Taliban, dass sie sich nach wie vor auf ihren unsäglichen, in Jahrzehnten des Terrors erworbenen Ruf verlassen können, dass die allermeisten AfghanInnen nicht aufbegehren gegen Gotteskrieger, die auspeitschen, zu Tode prügeln, pfählen, köpfen und ihr eigenes (irdisches) Leben so gering schätzen wie das Anderer, darunter Kinder, gebärende Mütter und Neugeborene. Ihr Auftreten ruft keinen Widerstand hervor, sondern Panik. Die Bilder vom panischen Massenansturm auf den Flughafen Kabul, von Männern, die sich an die Tragflächen startender Flugzeuge klammern, wer hätte sie vergessen?
„Ich gehe so gut wie gar nicht aus dem Haus, zucke bei jedem Geräusch vor der Tür zusammen“, sagt Ahmad R., der 8 Jahre als Fahrer für die deutschen GIZ gearbeitet hat und von den Taliban in seinem Heimatort mit dem Tod bedroht wurde. Viele, die er kennt, sind „einfach verschwunden“. Seit die Machthaber im Februar „Säuberungsaktionen“ in und um Kabul angeordnet haben, Hausdurchsuchungen, bei denen angeblich nach Kriminellen und Waffen gefahndet wird, vernichten diese Menschen alles, was sie irgendwie mit ausländischen NGOs oder der alten Regierung in Verbindungen bringen könnte, verbrennen Zeugnisse, Bücher und Musikinstrumente, zerstören Laptops, verstecken ihre Pässe. „Wir hätten niemals gedacht, dass wir eines Tages unsere Identität vernichten müssen, um überleben zu können“, sagt ein Mann aus Kabul in einem Human Rights Watch Artikel.
Diese Panik, sie hat sich nie gelegt, vor allem nicht unter den Tausenden von Menschen, die seit Monaten in Verstecken leben.
Fakt ist: Unsere Ortskräfte und andere besonders Gefährdete, die seit Monaten in Verstecken ausharren und auf Ausreise hoffen, werden vertröstet, hingehalten und jetzt hängen gelassen.
Die Aufnahme afghanischer Schutzsuchender soll von den Entwicklungen in der Ukraine abhängig gemacht werden, sagt das BMI. Was hat das eine mit dem anderen zu tun? Gibt es also doch Geflüchtete/Gefährdete erster und zweiter Klasse???
Diesem Eindruck werden wir tatkräftig widersprechen! Solidarfonds Bremen e.V. wird an den Start gehen und wir werden darum kämpfen, dass Bremen sein Landesaufnahmeprogramm durchsetzt, auch wenn das BMI sich im Moment noch sträubt.
Jede und jeder, der dieser Hölle entkommt, ist es wert!
Deshalb rufen wir dazu auf: Macht mit! Meldet euch und holt euch den Link zu unseren Online-Treffen!
Und die Politik fordern wir auf: Haltet am LAP Bremen fest!
Mehr dazu:
Afghanistans vergessenes Leid (zdf)
Wie Biden Afghanistan bluten lässt (Der Spiegel online)
Im Windschatten der Ukraine-Krise: Taliban verschärfen Vorgehen gegen eigene Bevölkerung (Pro Asyl)
„Überleben nur mit Wasser und Brot“ (Tagesschau)